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Die Kunst der Selbststeuerung – Stoppen, Planen, Ausführen

Leben mit Autopilot

Haben Sie schonmal darüber nachgedacht, wie Sie vom Stuhl aufstehen und sich hinstelllen oder wie Sie Ihre Kaffeetasse halten oder staubsaugen?? Können Sie beschreiben, wie Sie diese Vorgänge ausführen? Wenn Sie nicht schon seit einiger Zeit die Alexander-Technik praktizieren, dann werden Sie wahrscheinlich mit „nein“ antworten. Dabei erleichtert dieser kleine Gedankenprozess der zu dem bewussten Tun nötig ist, Ihren Alltag und erhöht die Lebensqualität.

Normalerweise bewegen wir uns auf der Basis des „Autopiloten“. Das heisst, wir denken bei unseren gewohnten Handlungen nicht darüber nach, wie wir sie ausführen. Wir sitzen, stehen, gehen oder bücken uns völlig unerbewusst. Durch Alexander-Technik beginnen wir, unsere alltäglichen Bewegungen neu zu durchdenken – und zwar bevor und während wir sie ausführen. Das hat mehrere Vorteile: Wir sind nicht mehr Sklave unserer alten Gewohnheit, sondern erschaffen uns einen neuen Bewegungsplan und erzielen dadurch effektivere, effizientere und gesündere Bewegungen.

Leben mit bewusster Selbststeuerung

Selbststeuerung heißt, nicht nach Autopilot, sondern bewusst nach einem sinnvollen Plan zu handeln.

Folgende Lernschrite sind dazu notwendig:

  1. Das Stoppen des Autopiloten
    Zunächst benötigen wir das Bewusstsein für den gegenwärtigen Moment und stoppen gedanklich unser unterbewusstes Handeln. Dies erfordert einige Übung, aber dieser „Gedankenstopp“ stellt sich immer häufiger ein. Alexander nannte diesen Vorgang „Inhibition“
  2. Selbstwahrnehmung im gegenwätigen Moment
    Wir lenken die Aufmerksamkeit auf die Wahnehmung unseres Körpers und unserer Gedanken.
  3. Plan erarbeiten
    Durchdenken und Wählen der passenden Mittel, um die Bewegung umzusetzen. Nach welchem Prinzip funktioniert die Bewegung? Was benötigen wir genau, um sie ausführen zu können.
  4. Die Bewegung entsprechend des Plans ausführen
    Kontrollieren Sie nicht die Einzelheiten des vorher durchdachten Plans, sondern führen sie ihn aus im Vertrauen darauf, dass der Körper diesen Plan gut umsetzt.Jeder dieser Schritte benötigt zunächst Anleitung, um ihn zu verstehen. Dies wird im Alexander-Technik-Unterricht erarbeitet und dann selbstständig geübt. Schon nach kurzer Zeit fällt er viel leichter und mit der Zeit übt man ihn selbstständig aus.Dieser Prozess wird sich mit der Zeit erleichternd auf Ihren gesamten Tagesablauf auswirken!

Leichtigkeit und Reife

„Reife ist ein Prozess von Subtraktion, nicht von Addition.“ (M. Chadbourne)
Dieses Zitat spricht mir aus der Seele, denn es umfasst ein wichtiges Prinzip der Alexander-Technik, dem Prinzip des Weglassens von Unnötigem. Was haben Leictigkeit und persönliche Reife miteinander zu tun?

Leichtigkeit

Schauen wir uns erst einmal an, auf welchem Prinzip Leichtigkeit entstehen kann. Teilnehmer in meinen Alexandertechnik-Workshops äußern oft den Wunsch, dass sie sich Leichtigkeit im Leben wünschen. Sie leiden unter der Belastung des Alltags und hegen den berechtigen Wunsch, dass die Dinge des alltäglichen Lebens ihnen leichter fallen sollen. Diese Teilnehmer kommen mit der Vorstellung zur Alexander-Technik, dass sie dort eine „gute Haltung“ oder eine richtige Vorgehensweise lernen müssen, damit sie leichter werden.

Doch in dem Moment, wo sie etwas vermeintlich Richtiges „tun“, strengen sie sich erfahrungsgemäß noch mehr an als zuvor. Oft stellen diese neuen „Lösungen“ aber nur das andere Extrem der alten Belastung dar und fühlen sich genauso schwer an. Die wirkliche Lösung liegt darin, anzuhalten  und in Ruhe zu überlegen, welche selbstgeschaffenen Störfaktoren zu eliminieren sind.

Nehmen wir das Beispiel des mühelosen Sitzens. Beim vermeintlich „richtigen“ sitzen strengen sich die meisten Leute an, um gerade und aufrecht zu sitzen: Sie drücken die Wirbelsäule nach oben, spannen dabei Hals, Schultern und Lendenwirbelsäule an. Das sieht nicht nur bemüht aus, sondern ist auch sehr anstrengend – alles andere als leicht.Wenn das Ziel aber Leichtigkeit ist, kann Anstrengung nicht die Lösung sein.

Die Alexander-Technik nähert sich von der anderen Seite: Ist eine Haltung oder Tätigkeit schwer, dann „tut“ man bereits zuviel. Die Lösung liegt darin, das Zuviel, das Unnötige wegzulassen. Demnach geschieht müheloses Sitzen durch Weglassen der Muskelspannung, mit der man sich anspannt und „zusammenstaucht“.  Die leichtere und bessere Haltung oder Bewegung ergibt sich also durch den Prozess des Weglassens, nicht durch „richtiges Tun“. Sie ist wesentlich flexibler und wird meist als erstaunlich angenehm und mühelos empfunden.

Dieser Prozess  – das Eliminieren von Störfaktoren – bildet das Rückgrat der Alexander-Technik, denn die Alexander-Technik ist die Kunst des Weglassens von Unnötigem und Schädlichem. Dies führt zu Leichtigkeit im Leben. Geübt wird dieser Prozess im Alexandertechnik Unterricht  an der Ausführung von kleinen alltäglichen Handlungen, wie zum Beispiel Sitzen, Stehen, Gehen oder Tragen.

Reife durch Selbststeuerung

Die Fähigkeit, diese unnötigen Anspannungen loszulassen, lernt man  im Alexandertechnik-Unterricht. Dies geschieht durch einen Prozess der Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung, durch den man nicht nur die Leichtigkeit der einzelnen Tätigkeiten erlernt,  sondern sich selbst auch besser kennen und weise zu steuern lernt. Selbstwahrnehmung und Selbststeuerung helfen im Ringen mit eingefleischten Gewohnheiten und Verhaltensweisen  – und hier bietet die Alexander-Technik wertvolle Hilfen –  die  „mentalen Disziplinen“. Mit ihnen wird dem Autopiloten und den Gewohnheitsfallen zu Leibe gerückt und es können fest eingravierte Verhaltensweisen nach neuen Wünschen geändert werden.

Leichtigkeit und Reife haben somit dieselbe Wurzel: Das Leben wir leichter und besser durch das Weglassen von selbsterschaffenem Ballast und Störfaktoren. Grundlage dafür sind eine gute Selbstwahrnehmung und die Fähigkeit, den Autopiloten zu stoppen und sich selbst bewusst zu steuern.

Belastungen verringern mit Alexander-Technik

Ganz normale Anforderungen können sich durch viele Faktoren zu Belastungen auswachsen. Manche Faktoren sind beeinflussbar, andere nicht. Dies muss im Einzelfall differenziert betrachtet werden, doch grundsätzlich ist eine Einflussnahme gegeben, wenn es um das eigene Verhalten geht. Welche Faktoren spielen eine Rolle, wenn wir Belastungen verringern möchten?

Was und Wie

Es ist nicht so entscheidend, was man tut, sondern wie man etwas tut. Die weitaus wichtigste Einflussmöglichkeit liegt erfahrungsgemäß in der Art und Weise, wie man an eine Aufgabe herangeht. Besteht der Arbeitsalltag aus langem Sitzen am PC, ist es natürlich gut, einen bequemen Stuhl und eine gut funktionierende Tastatur und Maus zu haben, doch die Art und Weise, wie man in diesem Stuhl sitzt und wie man mit den eigenen Schultern und Armen umgeht, wenn man Tastatur und Maus bedient, ist wesentlich entscheidender.

In einem großen Unternehmen litten viele Mitarbeiter unter starken Verspannungen und Rückenproblemen. Sie klagten über ihre Arbeitsplatzeinrichtung in den Büros, deren Zustand sie als Ursache für die körperlichen Beschwerden ansahen. Sie wünschten sich neue Stühle und ergonomisch ausgerichtete Tastaturen und Mäuse.

Keine Beachtung wurde dagegen der Art und Weise geschenkt, in der die Mitarbeiter an ihren Plätzen saßen: gebeugt, mit vorgestrecktem Kopf angespannten Schultern und Armen. Nachdem die Büros neu ausgestattet waren, saßen die Mitarbeiter in der gleichen Art und Weise an ihren Arbeitsplätzen wie vorher: gebeugt, mit vorgestrecktem Kopf, angespannten Schultern und Armen. Das neue Mobiliar hatte zwar ein „ergonomischeres“ Design als das alte, doch die Gewohnheiten, damit umzugehen, waren bei den Mitarbeitern die alten geblieben.

Innen statt Außen

Die Änderung von äußeren Voraussetzungen hilft nur bedingt. Viel ausschlaggebender ist der eigene Umgang mit den Gegebenheiten. Mobilar und weitere Rahmenbedingungen können noch so gut sein – wenn man sich bei den kleinsten Bewegungen dauernd anspannt, nützen einem die guten Rahmenbedingungen nicht viel. Achtet man dagegen auf einen guten Umgang mit sich selbst, ist man wesentlich unabhängiger von den äußeren Rahmenbedingungen.

Im Alexandertechnik-Unterricht kann jeder immer wieder die Erfahrung machen, wie stark ein bewusster Umgang mit dem eigenen Körper, mit dem Handwerkszeug und dem äußeren Kontext die Situation enorm erleichtert.