Gut Ding braucht Weile – Veränderung braucht Zeit

Das dringende Problem

Meist kommen Menschen erst auf die Idee, sich zu verändern, wenn es irgendwo klemmt oder gar schon brennt. Und dann soll sich die Verbesserung möglichst schnell oder sofort einstellen. Soweit der Plan.

Als Frau S. zu mir in den Unterricht kam, hatte sie bereits seit einiger Zeit Rückenschmerzen. Irgendwann in ihrem Bürojob begannen sie, und nach geraumer Zeit beschloss Frau S., dass nun „etwas passieren muss“. Seitdem hat sie eine längere Odyssee an Maßnahmen hinter sich. wie Massage, Sport, Yoga etc. Nun bekam sie von einer Freundin die Empfehlung, die Alexander-Technik zu probieren.

Ihre erste Frage war, wie lange es denn dauern würde, bis ihre Rückenschmerzen weg seien. Ich antwortete ihr – so wie ich stets auf diese Frage reagiere – dass weder ich noch jemand anderes den Zeitraum abschätzen könnte, weil Schmerzen sehr „unsichere Kandidaten“ sind, deren Auftreten und Verschwinden nicht immer unserer Logik folgten. Ich schlug ihr vor, dass wir mit dem Unterricht beginnen und beobachten, was passiert. Jedoch wird der Lern-Prozess einige Zeit dauern.

Wie viele Unterrichtsstunden dauert es?

Ihre nächste Frage war daraufhin, wie lange sie denn Unterricht nehmen müsse. Ich erklärte ihr, dass die neuen Dinge, die sie im Unterricht lernt, nicht schwer zu erlernen seien, das Meiste ist sogar sehr leicht nachvollziehbar und im Unterricht auch leicht anwendbar.

Der schwierigste Faktor ist die Umsetzung im Alltag. Nicht, dass es nicht genügend Gelegenheiten dazu gäbe … Aber meistens sind wir „zu beschäftigt“ mit unseren alltäglichen Aufgaben, so dass wir glatt „vergessen“, das neu Erlernte anzuwenden. Zu schnell „versanden“ dann die neuen Erkenntnisse. – Schade. Ein großer Teil der Unterrichtszeit wird also darauf verwendet, das Neue zu implementieren und durchzuhalten. Dazu brauchen wir größere Aufmerksamkeit und ein erhöhtes Bewusstsein von uns selbst und den Sitautionen. – Und dies zu erlangen braucht Training.

Dieses Training – das Erhöhen des Selbst-Bewusstseins – ist eines der Kernpunkte der Alexander-Technik. Selbst-Bewusstsein bedeutet, dass wir die Wahl sehen, die wir haben, und dass wir uns entscheiden können, wie wir handeln und diesen Freiraum gestalten können. Von diesem höheren Selbst-Bewusstsein auskönnen wir dann eine Verhaltensänderung in die gewünscht Richtung führen.

Die 1-Jahres-Regel

Dieses Training braucht Zeit. Alexander sprach von der „1-Jahres-Regel“. Gute Verhaltensweisen müssen ca. 1 Jahr lang durchgehalten werden, bis sie nachhaltige Erfolge zeitigen. Dafür ist eine geschulte Begleitung notwendig – z.B. ein Alexander-Lehrer. Er oder sie begleitet den Lern-Prozess, bis der Schüler ihn verinnerlicht hat. Ein gutes Instrument dazu ist, Unterrichtsstunden über einen Zeitraum von ca. 1 Jahr zu nehmen, oder an der intensiven Jahres-Gruppe teilzunehmen. Das Veränderungspotenzial in diesem Kontext ist sehr groß und wirkt sich auf viele Gebiete des Lebens positiv aus.

Gerade in diesem September wird ein neuer Jahreskurs beginnen und ich als Leiterin freue mich jetzt schon auf die Fortschritte, die die Teilnehmer auf dieser spannenden Reise erzielen werden. Frau S. ist mit dabei!

Auf welchem Stuhl sitzen wir richtig?

Sitzen am Tisch, in der Bahn, im Auto, auf Bierbänken oder auf dem Sofa wird oft als belastend empfunden. Als Überltäter für unsere Beschwerden fallen schnell die Möbel in Verdacht. Doch liegt es wirklich an den Möbeln? Oft kann man sie sich ja nicht aussuchen! Was tun?

Immer wieder werde ich im Unterricht gefragt, welches der richtige Stuhl ist und ob man nicht besser auf einem Hocker oder einem Balance-Stuhl sitzen und das Sofa abschaffen sollte. Meiner Erfahrung nach packt man mit dieser Art der Fragestellung das Problem von der falschen Seite an.In meinen 21 Unterrichtsjahren habe ich folgende Beobachtung gemacht: Ich habe einige Menschen locker und andere verkrampft in „guten“ Stühlen sitzen sehen. Ebenso habe ich einige Menschen locker und andere verkrampft in „schlechten“ Stühlen sitzen sehen. Der Stuhl scheint also nicht der ausschlaggebende Faktor zu sein! Was ist dann aber wichtig, um angenehm in einem x-beliebigen Sitzmöbel zu sitzen?

Der Ausschlaggebende Faktor für angenehmes und gesundes Sitzen ist unsere eigene Lockerheit. Unser Körper ist ein Wunderwerk an Anpassungsfähigkeit und Flexibilität – solange wir ihn nicht übermäßig anspannen und damit unflexibel und steif machen. Sind wir in der Wirbelsäule und den Gliedmaßen locker und flexibel, können wir auf fast jeder Sitzgelegenheit bequem sitzen.

Nehmen wir theoretisch mal an, es gäbe wirklich den idealen Stuhl, der unseren Körper in der besten Weise unterstützt oder uns durch eingebaute Wackeleffekte in Bewegung hält. Müssten wir diesen dann zu allen unseren beruflichen und freizeitlichen Beschäftigungen mitnehmen? Das geht wohl kaum – und welche Abhängigkeit wäre das! Aber wie sitzen wir, wenn wir diesen Wunderstuhl nicht zur Verfügung haben – z.B. Im Biergarten auf der Bank oder in der Bahn? Sind wir dann „sitztechnisch“ rettungslos zu „schlechter Haltung“ und Rückenschmerzen verdammt?

Nein, denn wir können mit den Mitteln der Alexander-Technik lernen, auf jedem Untergrund locker und flexibel zu sitzen! Im Unterricht lernen Sie, den Körper immer lockerer zu lassen, so dass Sie es sich unter (fast) allen Umständen in (fast) allen Sitzgelegenheiten bequem machen können. Im Unterricht lernen Sie eine ganz neue Art der Lockerheit, Einfachheit und Balance beim Sitzen kennen – und werden dadurch unabhängig von Ihrer Sitzgelegenheit!